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Braucht der Staat ein Redesign?

von Anke Gruendel

Im Zuge der verheerenden Umstrukturierungen, die das Department of Government Efficiency (DOGE) in der US-amerikanischen Verwaltung angestoßen hat, fiel auch ein Innovationslabor der radikalen Kürzungspolitik–der muskschen Abrissbirne–zum Opfer. Das Lab@OPM, angesiedelt im Office of Personnel Management, hatte sich zum Ziel gesetzt, Ministerien besser miteinander zu vernetzen und Verwaltungsprozesse effektiver zu gestalten. Gestalten war dabei nicht nur ein Schlagwort, sondern der programmatische Ausgangspunkt. Denn das Lab war vor allem ein Ort des Experimentierens innerhalb der amerikanischen Bundesregierung: ein Raum, in dem Verwaltungsangestellte mit Designprozessen und -methoden vertraut gemacht wurden. Doch was genau ist mit dieser Form von Design gemeint und wo begegnet sie uns im Regierungsalltag, auch nach dem frühen Ende des Lab@OPM?

Auch jenseits der USA ist diese kreative Praxis–bekannt als Public Sector Design–inzwischen in vielen Regierungen weltweit verankert, etwa im Vereinigten Königreich, in Chile oder Australien. Während Grafik- oder Produktdesign visuelle Artefakte oder Konsumgüter gestaltet, dreht es sich hier um die Gestaltung von Verwaltungsfunktionen, öffentlichen Dienstleistungen bis hin zur Frage, wie Bürger*innen den Staat erleben und mit ihm interagieren. Dabei sollen keine vorgefertigten Lösungen erbracht werden. Vielmehr steht das gemeinsame Bearbeiten komplexer, oft widersprüchlicher Probleme im Zentrum. Design liefert dabei kreative Methoden, die auf Beteiligung, Beobachtung und Iteration setzen.

Fragt man Designer*innen im öffentlichen Sektor, was sie eigentlich tun, hört man oft: Sie helfen, Unsicherheit systematisch abzubauen. Indem sie Verwaltungsprozesse für diejenigen öffnen, die davon betroffen sind, ist ihr Ziel, öffentliche Systeme reaktionsfähiger, inklusiver und wirkungsvoller zu gestalten. Beteiligung steht dabei im Zentrum. Partizipation von Bürger*innen, Verwaltungsangestellten, Wissenschaftler*innen und Akteuren aus der Wirtschaft soll unbeabsichtigte Nebenwirkungen frühzeitig erkennen lassen. Public Sector Design will damit die Lücke zwischen politischem Anspruch und gelebter Realität sichtbar machen und neue Handlungsspielräume in der Verwaltung eröffnen. Es will kein Allheilmittel sein, sondern ein kritisches Werkzeug im Umgang mit institutionellen Herausforderungen.

Schöne Absichten, denen wohl kaum zu widersprechen ist. Doch funktioniert das wirklich? Und was passiert dabei mit der Verwaltung? Häufig braucht es zunächst ein Projekt, das den Mehrwert solcher Ansätze demonstriert, um Design überhaupt erst sichtbar zu machen. Ein Beispiel findet sich in den USA. Vor ein paar Jahren initiierte die heutige Leiterin des Philadelphia Innovation Labs ein sogenanntes Proof-of-Concept-Projekt, das sich mit Obdachlosigkeit aus Verwaltungsperspektive befasste. Denn dem Office of Homeless Services fehlte das Verständnis dafür, was Menschen ohne Wohnung tatsächlich brauchen. Das Designprojekt bezog sowohl Betroffene als auch sogenannte frontline workers mit ein. Ein Abschlussbericht, wie wenig klassische Verwaltungslogik mit solch komplexen Problemen umgehen kann, weil sie alternative Wissensformen wie die gelebten Erfahrungen wohnungsloser Menschen oder der zuständigen Sachbearbeiter*innen kaum einbezieht. Das Beispiel verdeutlicht, was beim Public Sector Design eigentlich passiert. Es macht konventionell unsichtbares Wissen sichtbar–insbesondere Erfahrungswissen–und integriert es systematisch in den Verwaltungsalltag.

Trotz wachsender internationaler Aufmerksamkeit ist Public Sector Design in Deutschland bislang kaum verbreitet. Das könnte sich bald ändern. Frankfurt am Main wird 2026 World Design Capital, unter dem Motto Design for Democracy. Damit spricht Design direkt eine der Kernfragen unserer Zeit an. Ob es diesen Anspruch tatsächlich einlösen kann, bleibt allerdings offen und wird sich nicht allein an schönen Leitbildern, sondern an konkretem Verwaltungshandeln messen lassen müssen.

Autorin: Dr. Anke Gruendel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied des internationalen Forschungskollektives Governing Through Design.

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